Der Prozess – Nonviolent Communication: Mit gewaltfreier Kommunikation zu mehr Erfolg und Zufriedenheit (Teil 1)

Leider wird gewaltfreie Kommunikation weder im Kindergarten, noch in der Schule noch an Universitäten so wirklich vermittelt und logischerweise können auch die meisten Erwachsenen und somit auch Eltern mit diesem Konzept nicht wirklich viel Anfangen. So setzt unsere Kommunikationsunfähigkeit von Generation zu Generation fort und wir wundern uns, warum es in Beziehungen oder im Berufsleben andauernd knallt.

Ich werde dir in diesem Artikel den NVC Prozess sowie die Kernelemente vorstellen, da ich glaube, dass man schon damit sehr weit kommen kann.

Der Prozess der gewaltfreien Kommunikation lässt sich in vier Schritte unterteilen:

  1. Beobachten
  2. Gefühle ausdrücken
  3. Bedürfnisse ausdrücken
  4. Anfrage formulieren

Schauen wir uns diese Schritte einmal genauer an:

1. Beobachten ohne zu bewerten

Im ersten Schritt geht es darum, eine Situation genau zu beobachten und zu kommunizieren. Hierbei ist es wichtig, dass wir uns wirklich auf das beschränken, was unumstritten sichtbar ist.

So können wir beispielsweise nicht sagen “Du bist wütend” oder “Du denkst, dass …” oder “Das hast du missverstanden”. Denn das wissen wir nicht mit Sicherheit und es führt dazu, dass unser Gegenüber es abstreiten kann, weil er oder sie die Situation anders wahrnimmt.

Auch sollten wir uns davor hüten, eine Wertung vorzunehmen wie beispielsweise “Du sprichst sehr laut”. Darüber hinaus sollten wir niemals absolute Aussagen verwenden, wie “Du regest dich immer gleich auf.” oder “Du bringst den Müll nie raus.”

Absolute Aussagen sind fast nie richtig und werden somit zur Lüge. Darüber hinaus provozieren sie und können schnell widerlegt werden. Eine Garantie dafür, einen jeden Streit so richtig anzustacheln.

Im ersten Schritt beobachten wir also nur, was wirklich zu sehen und zu hören ist. Beispielsweise “Du hast die Faust geballt.” oder “Du sprichst lauter als üblich” oder “Du hast gesagt, dass Du dich nie auf mich verlassen kannst.”

Hiermit schaffen wir eine Grundlage für die Schritte 2 bis 4, an der es hoffentlich nichts zu rütteln oder auszusetzen gibt.

2. Gefühle, nicht Gedanken, ausdrücken

Wir sind unglaublich schlecht darin, Gefühle auszudrücken. Wie oft erhalten wir auf die Frage “Wie geht es dir?” oder “Wie fühlst du dich?” einfach nur die Antwort “Gut”? – Gut is kein Gefühl.

Wenn ich dich jetzt frage, wieviele Gefühle du aufzählen kannst, auf wieviele Gefühle kommst du? Fünf, zehn oder vielleicht 15?

Tatsächlich gibt es allein sechs unterschiedliche Gruppen von Emotionen mit insgesamt 27 Emotionen. Die Seite nvcatwork.com listet 54 verschiedene Gefühle auf. Wenn Du nach “Gefühle rad” oder “feelings wheel” googlest und dir mal die Bilder anschaust, findest Du Abbildungen mit fast 100 Gefühlen.

Kein Wunder also, dass wir so schlecht darin sind, unsere Gefühle auszudrücken. Uns fehlen schlichtweg die Vokabeln. Es liegt vielleicht daran, dass ich ein Mann bin, aber nach meiner Erfahrung sind Frauen da oft auch nicht viel sprachgewandter.

Gefühle sind Emotionen in unserem inneren. Sie beziehen sich ausschließlich auf uns, nicht auf unser Gegenüber. Darüber hinaus sind Gefühle keine Gedanken. Nur wir selber sind für unsere Gefühle verantwortlich.

Ich kann mich “deprimiert” fühlen, aber ich sollte niemals sagen “Du deprimierst mich.”. Auch sollten wir Aussagen wie “Ich fühle, dass …” vermeiden, da wir hier häufig einen Gedanken oder eine Bewertung als Gefühl tarnen.

Das Schöne daran, wenn wir es schaffen wirklich nur unsere Gefühle auf uns selbst bezogen auszudrücken, ist, dass auch hier nicht diskutiert werden kann. Niemand kann dir ernsthaft sagen “Ne, du fühlst dich nicht verängstigt.” – das wäre ganz schön asozial. Wenn dein Gegenüber auf diesem Niveau mit dir redet, such besser schnell das Weite.

Unsere echten Gefühle zu teilen hilft unserem Gegenüber uns besser zu verstehen und Mitgefühl empfinden zu können. Auch hilft es uns selber, besser zu verstehen, was wir eigentlich fühlen.

Denn “gut” oder “schlecht” sind sehr pauschal und schwammig. Niemand versteht, was das genau meint und es ist schwierig, eine Strategie zu entwickeln, die dem Gefühl Abhilfe schafft. Bevor wir aber zur Strategie kommen, geht es im dritten Schritt um unsere Bedürfnisse.

3. Bedürfnisse ohne Strategie ausdrücken

Wenn wir uns irgendwie unwohl fühlen, weil unser Partner oder unsere Partnerin oder irgendwer in unserem Leben etwas macht, was uns missfällt, wissen wir oft sofort, was die Lösung aus unserer Sicht ist.

Dabei vergessen wir aber, dass die andere Person meistens einen Grund für ihr Handeln hat und mit unserer Lösung so aus dem Blauen heraus nur wenig anfangen kann.

Außerdem berauben wir uns damit der Möglichkeit, zusammen eine viel bessere Lösung zu finden.

Da wir unsere Gefühle genau kennen, können wir von ihnen Bedürfnisse ableiten. Denn negative Gefühle sind immer ein Zeichen dafür, dass mindestens eines unserer Bedürfnisse nicht erfüllt ist.

Bedürfnisse sind unabhängig von einer bestimmten Person oder einem bestimmten Ort. Mein Bedürfnis kann beispielsweise “Liebe” oder “Zuneigung” sein, aber nicht, “… dass du mich liebst.”

Darüber hinaus sind Bedürfnisse leicht nachvollziehbar und du kannst sie in der Form “Ich brauche …” oder “Mir ist wichtig, dass …” kommunizieren, allerdings nicht in der Form “Mir ist wichtig, dass du …”.

Wenn wir es schaffen, wirklich herauszufinden, was unsere echten Bedürfnisse sind und wir diese ohne eine Strategie kommunizieren können, ist das einfach wundervoll. An diesem Punkt hat unser gegenüber ganz genau verstanden, was die Situation ist, wie wir uns fühlen und welches unserer Bedürfnisse nicht erfüllt ist.

Jedoch haben wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht über eine mögliche Lösung, genauer gesagt über eine Strategie zur Erfüllung unserer Bedürfnisse, gesprochen. Und das ist absolut gewollt.

4. Bitte um eine Aktion, die dein Leben verbessern kann.

Im vierten Schritt geht es darum, eine Anfrage zu formulieren. In der Regel haben wir eine konkrete Idee, was unser Bedürfnis erfüllen kann und was uns ein gutes Gefühl geben würde. Warum also nicht einfach danach fragen?

Eine Anfrage sollte immer in positiver Sprache und so konkret wie möglich sein. Also nicht “Ich möchte, dass du nicht so viel arbeitest.”, sondern “Ich möchte, dass du mehr Zeit mit mir verbringst.”. Besser noch: “Ich möchte, dass Du an den Abenden und mindestens einen Tag am Wochenende Zeit für mich hast.” oder “Wärst Du dazu bereit, einmal in der Woche mit mir etwas Neues zu unternehmen und die Handys zu Hause zu lassen?”.

Positive Anfragen teilen deinem Gegenüber ganz genau mit, was du von ihm oder ihr willst und bieten weniger Raum für Missverständnisse.

Ein wichtiger Punkt einer Anfrage, und das wird dir nicht gefallen, ist, dass sie keine Forderung sein darf. Bedeutet: Eine Anfrage ist eine Bitte, die dein Gegenüber ablehnen kann und darf. Ob deine Anfrage eine Bitte oder eine Forderung ist, kannst du daran erkennen, wie du reagierst, wenn dein Gegenüber “Nein” sagt.

Wirst du wütend oder strafst deinen Partner mit tagelangem Schweigen, war es keine Bitte, sondern eine Forderung, die eure Beziehung schädigt. Zukünftig wird dein Partner es schwieriger haben, frei zu entscheiden und wirklich aus eigenem Willen zu handeln, wenn er oder sie die Konsequenzen fürchten muss.

Der Vorteil am NVC Prozess ist jedoch, dass selbst bei einer Ablehnung deiner Bitte nicht alles verloren ist. Denn schließlich habt ihr mit den ersten drei Schritten dafür gesorgt, dass die Grundlage deiner Bitte genau verstanden wurde. Dein Partner kann nun also leicht eine andere Strategie vorschlagen und es ist leichter, eine Lösung zu finden, die für alle Beteiligten passt.

Fazit

Ich habe gewaltfreie Kommunikation wirklich als eine Art “Wunderwaffe” kennengelernt. Am Anfang ist es oft schwierig, nach diesem Schema zu kommunizieren. Insbesondere wenn es etwas hitziger zugeht, fällt es mir noch immer schwer, mich auf diesen Prozess zu konzentrieren.

Wichtig ist, dass man keinen der vier Schritte überspringt oder die Schritte miteinander vermischt, da dies nur zu Verwirrung oder gar Ablehnung führen kann. Außerdem macht es auch uns das Leben schwieriger, wenn wir nicht klar zwischen Beobachtung und Gefühl trennen können.

Nonviolent Communication gehört mit zu den wichtigsten Dingen, die ich in den letzten drei bis vier Jahren gelernt habe und ich kann dir wirklich nur empfehlen, dich ausgiebig mit diesem Thema zu beschäftigen. Es wird deine Beziehungen und damit deine Lebensqualität und natürlich auch deinen finanziellen Erfolg langfristig extrem verbessern.

Ich kann dir die Listen zur gewaltfreien Kommunikation von Lichtkreis.at sehr empfehlen, um deinen Wortschatz aufzubessern.

Was ist deine Meinung zum Thema NVC? Must-know oder kompletter Humbug?

Quellen zum Thema “Gewaltfreie Kommunikation”

Das Buch

Das Konzept der gewaltfreien Kommunikation, wurde bereits in den Sechzigern von Marshall B. Rosenberg eingeführt, erfunden bzw. beschrieben. Seitdem gab er Workshops in diesem Bereich und hat auch einige sehr interessante Bücher über dieses Thema verfasst. Sein Buch “Nonviolent Communication: A Language of Life: Life-Changing Tools for Healthy Relationships*” oder zu deutsch “Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens*” kann ich uneingeschränkt empfehlen.

Seminar-Aufzeichnung auf YouTube (Englisch)

Was dir sonst noch gefallen und weiterhelfen könnte

Ein weiteres spannendes Buch zu diesem Thema ist übrigens “Mindsight: The New Science of Personal Transformation*”, indem Author Daniel J. Siegel Tipps gibt, wie wir mental gesund werden oder mentale Traumata aus unserer Kindheit auflösen können. Auch hier ist der richtige Ansatz, zunächst einmal das neutrale Beobachten der Situation und der eigenen Gefühle zu üben, und nicht sofort zu reagieren.

Wenn dir Themen wie Mindfulness und Objektivität schwerfallen, ist das keine Schande. Gerade in hitzigen Situationen ist das alles andere als leicht und wir haben es oft einfach nie richtig gelernt.

Ein Ansatz der für mich gut funktioniert ist regelmäßiges Meditieren, da wir damit trainieren, nicht so sehr in Gedanken und Interpretationen abzuschweifen, sondern bei dem zu bleiben, was wirklich da ist. Diese Angewohnheit wird sich früher oder später auch in schwierigen Momenten auszahlen, da du dich selber und die Situation leicht aus einer anderen Perspektive sehen kannst.

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